Der Blick hinter den Mund-Nasen-Schutz
Es ist ein trüber Samstag Nachmittag in Pfaffenhofen. Umso strahlender ist unser Interviewpartner, den ich ganz Corona-konform für Paf hat Pfiff treffen darf.
Nur 2 Personen auf Abstand durch die schöne City. Ein Traum wird wahr. Schon lange war ich meinem Idol nicht mehr so nah. Ich bin etwas nervös, weil ich mich so freue. Wir treffen uns bei seinem Wohnhaus am Draht. Habe schon oft darüber nachgedacht, warum der Draht eigentlich so heißt. Nun... nicht nur das, sondern noch so viel mehr, werdet ihr, liebe Pfiffster, hier noch erfahren. Lasst euch entführen auf eine Tour durch Sandokans spannendes Leben und durch die wahrlich verrückten und historischen Spuren Pfaffenhofens. Pures Lesecandy für den Lockdown. Legt die Füße hoch und lasst euch verzaubern!
Paf hat Piff (PhP): Frieder möchtest du dich gern selber vorstellen? Ich hab dich ja in erster Linie als Sandokan, als Frontman der Dicken Schnösel kennengelernt. Aber du bist und kannst ja noch viel mehr.
Frieder "Sandokan" Leipold (FSL): Ich war der Trauzeuge vom Meet Fry (Dicke Schnösel). Bei dem Vorgespräch zur Hochzeit hat die Standesbeamtin den Meet Fry gefragt, wer ist denn er. Daraufhin hat der Meet Fry geantwortet "das ist ein freier Autor". Dann hat der Vater vom Meet Fry furchtbar das Lachen anfangen müssen. Da hab ich dann schon gewusst, was die Menschen von mir halten.
Php: Wie würdest du dich selbst bezeichnen?
FSL: Ich werde ein immer seriöserer Historiker. Inzwischen verdiene ich auch mein Geld damit.
Php: Wie ist das jetzt, du machst ja auch noch ein Studium oder den Doktor oder wie nennt man das?
FSL: Ja, ich habe zuerst natürlich Stadtführer gelernt. Das war tatsächlich vom weißen Stadtvogel und wir waren der Kurs, bei dem die meisten durchgefallen sind, ever.
Um die Leser kurz auch örtlich mitzunehmen, wir befinden uns grad an der Ecke Schäch Fanny Kreisel und rechts ist die Stadtmauer verlaufen.
FSL: Hier sehen wir übrigens den letzen Rest der fast intakten, aber auch viel rekonstruierten Pfaffenhofener Stadtmauer. Und die große Streitfrage ist: War das Ding jemals verputzt?
PhP: Das ist ein Streitthema?
FSL: Ja absolut, es gibt einen Stich von Pfaffenhofen, wo man ganz klar die Mauersteine der Stadtmauer erkennt. Es gibt aber auch ein Gemälde und da sieht man ganz klar einen weißen Streifen. Vielleicht war es zeitweise verputzt, vielleicht war es zeitweise unverputzt. Es ist ein großes Mirakel!
PhP: Sehr interessant, dies war mir komplett neu. Um nun nochmal auf deine Person zurückzukommen, du bist ja momentan in Belgien?
FSL: Ja zumindest vor Corona. Das Schlimme ist, die Belgier sind sehr bekannt für ihre Pommes und ihre Bierkultur. Aber mir schmecken am besten die Pommes vom McDonalds und das Bier da schmeckt mir auch nicht.
PhP: Ja vor allem wenn man das gute Hallertauer Bier gewöhnt ist!
FSL: Ich bin Bier als Lebensmittel und nicht als Kunstwerk gewohnt.
PhP: Mittlerweile befinden wir uns schon am Mesnerhaus, hier hast du doch sicher auch ein paar interessante Infos für uns?
FSL: Hier hat der Herr Peter Feßl drin gewohnt, vom Stadtrat. Das war die letze Familie die hier drin gewohnt hat. Da waren im Winter innen in den Scheiben immer Eisblumen. Ich habe den Herrn Feßl mal gefragt wegen ein paar Fotos und da hat er mir einige gezeigt. Von damals er noch ein kleiner Bub war und das hier noch noch nicht gepflastert war. Das ist was, was mir sehr zur Herzen gegangen ist. Das Foto habe ich immer noch.
PhP: Das Gebäude ist ja unter Denkmalschutz oder?
FSL: Ja, wobei das in Pfaffenhofen wenig heißen mag. [Anmerkung der Redaktion: Das dürfen wir nur ironisch schreiben.]
Wir nehmen nun den Weg Richtung Innenstadt auf uns, vorbei am Pfaffelbräu.
PhP: Privatpersönlich fällt mir hier ja ein, da war doch auch immer euer Stammtisch, hab ich auf Facebook gesehen?
FSL: Das war natürlich die große Sturm und Drangzeit mit BSE.
PhP: BSE?
FSL: Ja BSE, die Band wo niemand weiß wofür BSE steht. Wir haben einen Song darüber gemacht wofür es stehen könnte. Vielleicht war es einfach Busen Stoned Erregend oder Bankers Schul Elite, Brav Schön Ehrlich. Auch dies bleibt bis heute ein großes Mirakel.
Nun kommen wir am Stadtbrunnen an mit der bekannten Mariensäule.
PhP: Ich habe ja gelesen, dass dies dein Lieblingsort in Pfaffenhofen ist. Da hab ich ganz ausgiebig recherchiert. Ist das wirklich so oder hast du das nur gesagt, weil es darüber was Interessantes zu erzählen gibt?
FSL: Naja weil die anderen haben damals auch schon alle anderen Orte genommen. Die Spitalkirche wäre ja eigentlich mein Lieblingsort. Wir haben es dann abgesprochen und naja dann hat eben der Herr Prechter die Spitalkriche genommen und ich die Mariensäule am Stadtbrunnen.
PhP: Genau sowas interessiert ja unsere Leser.
[Anmerkung der Redaktion: Es handelt sich hierbei und dieses Video aus der PAFundDU Reihe "Mein Lieblingsort"]
PhP: Was hätte dich an der Spitalkirche denn so interessiert?
FSL: Nein nein, das war nur Spaß. Die Mariensäule ist auch deswegen so fantastisch, weil man an ihr sehen kann, das es früher auch schon Seuchen gegeben hat und das die auch wieder vorbeigehen.
Ich gebe uns noch 3 Monate, dann kann man es auch wieder krachen lassen. Da lasse ich mich gerne festnageln, das wiederhole ich auch vor Dritten.
Vorbei am Rathaus gehen wir ein Stück der Frauenstraße entlang.
PhP: Du machst ja in Wirklichkeit deinen Doktor in Belgien. In Leuven, hab ich im PK gelesen. Wie ist denn da dein Titel deiner Doktorarbeit?
FSL: Es geht um die Dienerschaft im Palast. Also nicht zeremonielle Räume wie Thronsaal usw., sondern des wo gearbeitet wird. ("Die Wechselwirkungen zwischen Dienerquartieren und repräsentativen Räumen in herrschaftlichen Residenzen der Frühmoderne")
PhP: Wie kommst du auf so ein Thema?
FSL: Naja das hat mir die Europäische Union vorgegeben.
Ich wollte eigentlich was über Küchen machen. Es geht ja auch darum, dass du Schlossführungen oder Stadtführungen machen kannst, um Leuten was zu erzählen. Aber schon bei meinen Führungen zur Reformation und Napoleon in Pfaffenhofen hab ich gemerkt, wenn man Bier anbietet, kommen mehr.
PhP: Ach wirklich auch vielleicht ein Tipp für unsere Leser, mal zum Geburtstag oder einer Familienfeier!
FSL: Ja gerne, damit könnte man Erfolg haben.
PhP: Ah apropos, dann lass uns doch passend zum Thema gleich mal zum Hungerturm voranschreiten.
Nun stehen wir gebannt vor dem Hungerturm.
FSL: So und jetzt frag ich dich, warum ist da da in 4 m Höhe eine Tür?
PhP: Keine Ahnung.
FSL: Die Pfaffenhofner hatten das noch nicht so ganz raus mit den Höhen. Und das ist eben Mittelalter in Pfaffenhofen und in den 1950er Jahren sind die Türen nur noch 1 m vom Boden entfernt. Die lernen dazu und schön langsam nähert man sich den Boden.
PhP: Mal unverschämt gefragt, waren die Pfaffenhofener denn besonders dumm? Oder waren mehrere so dumm? Also bei den Schanzern könnte ich mir das besser vorstellen.
FSL: Die hatten eben einen Schanze und wir hatten eben eine Stadtmauer und da ging man natürlich raus aus der Tür.
Wir stehen jetzt hier im Todesstreifen von Pfaffenhofen. Die WSP wäre direkt in der Todeszone.
PhP: So ein Zufall.
Wir gehen direkt vor den Turm und sehen uns das Corona Denkmal von Pfaffenhofen an, Hier sind ein paar Grablichter und Schilder aufgestellt.
FSL: Kennst du eigentlich das Denkmal von Michael Jackson vorm Bayerischen Hof?
Das gibt es ja auch nur, weil keiner weiß wer dafür zuständig ist. Ob das städtisch ist oder vom Landkreis her und deswegen ist das so ein bisschen eine Grauzone. Immer wenn Sicherheitskonferenz ist, kommt das alles weg. Und dann wird alles wieder hingeräumt.
Da gibt es die Michael Jackson Feinde und die streuen dann da immer Vogelfutter rein, damit die Vögel alles zuscheißen. Aber die Michael Jackson Fans sind so schnell im Rauspicken des Futters, dass es dazu nie kommt. Denn wäre es zugeschissen, wäre es ein Gesundheitsrisiko und dann müsste die Stadt München eingreifen.
PhP: Krass, woher weißt du sowas?
FSL: Stadtführer.
PhP: Hast du in München auch schon Stadtführungen gemacht?
FSL: Ja, aber schon lange nicht mehr. Und dann Schlossführungen, ich bin richtig aufgestiegen.
PhP: Wie findest du eigentlich die aktuelle Lichtausstellung vom Kunstverein?
FSL: Ich finde die Lichtinstallation von Markus Jordan von Jordan Optix auf der Insel überragend, ein Wahnsinn, toll, absolut sehenswert. Ein Muss!
Jetzt gehen wir langsam zurück und biegen in die Löwenstrasse ein.
FSL: Hier war der Rindermarkt in Pfaffenhofen. Es gab ja den Ochsenweg, auf dem das Schlachtvieh aus Ungarn durch getrieben wurde. Pfaffenhofen war eine Station auf dem Ochsenweg. Ein Frühneuzeitlicher Fleischhighway.
Damals hat man die Viecher beim Scheyrer Tor rausgetrieben zum Grasen und am Abend beim Münchner Tor wieder reingetrieben. Deswegen heißt das Gebiet, das die Kühe betreten haben, Draht. Die "Trat" war Weideland, auf dem die Kühe sich die Füße vertraten.
PhP: Mensch, das ist ja verrückt, da bist du ja derzeit auch wohnhaft (Weberhäusl). Verrückt!
Wir befinden uns nun an der Ecke Centrobar - Sonnenstraße - Auenstraße - Salverbräu dem ehemals bekannten "Bermuda Dreiecks" in Pfaffenhofen.
PhP: Ja Frieder, die Centrobar eine ganz historische Stätte hier, oder?
FSL: Für mich eigentlich mein Lieblingsort in Pfaffenhofen. Als hier die Quidditch-Weltmeisterschaft in Pfaffenhofen war, da war hier das Zentrum.
Weil hier natürlich alle Touristen hin sind, die wollten ja was Uriges und die Locals sehen. Da war hier richtig was los. Das hat mir Spaß gemacht.
PhP: Ja schade, ist einfach alles nicht mehr so wie es einmal war.
Wir schwelgen kurz in Erinnerungen...
FSL: 1768 ist der Galgen in Pfaffenhofen ja neu gebaut worden. Das weißt du ja sicher.
PhP: Nein, ich weiß einfach nichts.
FSL: Pfaffenhofen ist Pfleggericht. Das heißt, hier konnten Todesurteile gefällt werden. Also wurden hier 1768 zwei Typen zum Tode verurteilt.
Diese 2 hätten gehängt werden sollen am Galgen. Der Galgen war damals oberhalb vom Bahnhof, damit man wenn man nach Pfaffenhofen von München kommt, gleich sieht "Don't mess with Pfaffenhofen".
Dann haben die damals aber festgestellt, dass der Galgen morsch ist und hatten Angst, dass sich bei der Hinrichtung Menschen verletzen könnten, durch den einstürzenden Galgen. Der Gerechtigkeit halber sind damals alle Zimmerer und Maurer aus dem Pfaffenhofener Land angeheuert worden. Das waren dann so um die 140 Leute, die mit samt der Stadtkapelle rausgezogen sind, zum Bahnhof, um den Galgen zu bauen. Sie haben es aber tatsächlich nicht an einem Tag geschafft. Deswegen sind die ganzen Leute zur Erfrischung in den Kramerbräu und haben hier eine Rechnung von 1.200 Liter Bier hinterlassen. Daraufhin gab es Streitigkeiten, wer das Bier bezahlen muss. Deswegen ist dann dieser Durst von den Galgenbauern auch aktenkundig geworden. Eine der besten Geschichten bei der Stadtführung. Die Zech ist bis heute noch offen!
Gerade stehen wir vorm Platzl.
FSL: Wir gehen jetzt in den ältesten Bereich von Pfaffenhofen. Da kannst du mir sicher sagen, was hier gestanden hat? Was war das erste Haus in Pfaffenhofen?
PhP: Das Platzl natürlich.
FSL: Gar nicht mal so falsch. Aber der Pfaffelhof, also der Hof der Pfaffen war natürlich das erste, was hier war. Und damals als wahrscheinlich so genanntes "Haufendorf", heißt jeder baut da irgendwo sein Haus hin und macht einen Zaun drum herum. Am Platzl ist der letze Ort, wo man mittelalterliche Bebauung hat, auch wenn hier heute nur moderne Häuser stehen. Man sieht ja dahinten, dass es nur schebse Gassen gibt entlang der Stadtmauer.
Das ist der letze Rest wo man diese Haufendorf-Bebauung von Pfaffenhofen sieht.
PhP: Ein mittelalterliches Durcheinander, schon damals.
FSL: Du weißt ja, was in München am Platzl steht oder? Das Hofbräuhaus und um das Hofbräuhaus waren ja die Puffs.
PhP: Du willst also sagen, das war hier auch so?
FSL: Hier war das Herzögliche Bad. Die Badeanstalten, die hatten halt den Ruf, wenn du schon mal nackert bist, dann gibts da halt noch ein Séparée und dann ja.
Die Pfaffenhofener Bäder, kann man sagen, waren reichsweit bekannt!
PhP: Du willst also sagen hier wurde viel gebadet?
FLS: Das Altenstädter Bad war sehr bekannt. Das war anscheinend die beste Adresse zum Baden.
PhP: Wenn man es also richtig dirty wollte, hat man sich da geputzt.
Jetzt gehen wir noch den inneren Teil der Stadtmauer entlang.
FLS: Die Stadtmauer hatte 4 Tore und die wurden auch immer abends dicht gemacht. Das ist quasi wie jetzt wo um 21 Uhr ja auch keiner mehr raus darf.
PhP: Tore zu, Lockdown - Ende Gelände.
FLS: Das Problem war, dass man früher, bis ins 18. Jahrhundert bei uns kein Bier getrunken hat. Also Bier schon als Lebensmittel, aber nicht zum lustig werden. Da hat man Wein getrunken. Man kennt ja noch den Weingarten wo der Hechinger seinen Park da draußen hat. Heißt wahrscheinlich deswegen so, weil das früher wirklich ein Weingarten war. Früher ist man vor die Stadt zum Saufen in die Weingärten gegangen. Wenn dann das Tor dicht war, konntest du nicht mehr rein. Die mussten da auch sehr streng sein. Denn einmal gab es einen Schwerverbrecher, der reinkam. Der war quasi der Auslöser, dass man strenger sein musste mit dem Öffnen und Schließen der Tore. Es gab aber am Türltor ein Tor mit einem kleinem Türl drin, wo man dann noch neischlupfen hat können. Aber nur wenn man einen triftigen Grund hatte. Und ab dann war eben Besoffensein kein vernünftiger Grund mehr.
PhP: So wie im Moment auch.
FLS: Jetzt gehen wir direkt den Weg der Ochsen zum Draht zurück.
PhP: Jetzt sind wir also die Rindviecher.
Am Ende unserer Tour befinden wir uns nun wieder am Draht. Der Kreis hat sich geschlossen.
PhP: So, zurück am Anfang unserer mehr als aufregenden Tour.
Ich könnte ja jetzt ewig noch mit dir weiterreden. Vielleicht machen wir noch ein Hörbuch daraus. Apropos da fällt mir noch ein, was unsere Leser sicher brennend interessiert: Gibt es die dicken Schnösel noch?
FLS: Du meinst wohl die fitten Buben, DFB?
PhP: Absolut! Wann gibt es wieder ein Hörspiel?
FLS: Zu 100% wird in den nächsten 2-3 Jahren sicher die Titelmelodie nochmal zu hören sein.
PhP: Unsere allseits letzte beliebte Frage, was gibt es heute zu Essen?
FLS: Natürlich ein bayrisches Grundnahrungsmittel BIER.
Süße Speise, süßer Trank - schmecken scheiße machen krank.
Der PK schreibt, er ist als Ausstellungskurator, Stadtführer und Punker unter den Lokalhistorikern bekannt. Für uns ist er Rockstar, Animateur im Club der Visionäre. Unglaublich viel Wissen in einem einzigen sexy Körper. Ein hochintelligenter Biertrinker mit einem ganz großen Herz.
Danke für deine Zeit. Es war einfach herrlich! Falls es irgendwann wieder Touren mit dir gibt, wir sind dabei!
Falls Ihr noch mehr zu Frieder Leipold wissen wollt, googelt ihn einfach, er macht viel zu viel, das können wir hier gar nicht alles verlinken.
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