Gestern war es soweit: Pfaffenhofen a. d. Ilm hat Geschichte geschrieben – der erste Christopher Street Day (CSD) fand statt! Was für ein legendärer Moment! Wir könnten nicht stolzer sein, Pfiffster zu sein.
Am 10. August 2024 wurde Pfaffenhofen zu einem Symbol für Vielfalt und Toleranz. Der CSD, organisiert von Queer Pfaffenhofen e.V., stand unter dem Motto „Gemeinsam für Vielfalt“ und verwandelte die Stadt in ein buntes Fest der Akzeptanz. Natürlich waren wir als Redaktion total begeistert. Und selbstverständlich haben wir auch unsere Unterstützung angeboten – und waren überrascht, welche riesige Verantwortung so eine Veranstaltung mit sich bringt.
Der Stolz von Pfaffenhofen – oder doch nicht?
Wir kennen Norbert und Andreas, die wir mal als die Vorreiter und Gründungsmitglieder von Queer Pfaffenhofen bezeichnen wollen. Seit 2023 gibt es den Verein, und man kann übrigens auch Mitglied werden. Queer Pfaffenhofen e.V. ist ein engagierter Verein, der sich leidenschaftlich für die LGBTQIA+ Community einsetzt. Als Mitglied unterstützt man nicht nur deren Mission, sondern wird Teil einer bedeutsamen Bewegung in Pfaffenhofen.
Natürlich haben wir schon einige Geschichten gehört, wie schwierig es sein kann, sich als queerer Verein oder Unterstützer für LGBTQIA+ Personen zu engagieren. Sich dann auch noch den Stress einer großen Veranstaltung wie dem CSD anzutun, verdient höchsten Respekt. Aber wozu das Ganze? Wir haben doch schon eine „bunte“ Regierung in Pfaffenhofen, einen Bürgermeister, der als Schirmherr für den CSD steht, und homosexuelle Paare dürfen im Rathaus heiraten! Was soll das also alles?
Reality Check am Samstag
Samstag, 12:30 Uhr, Polizeipräsidium Pfaffenhofen. Hier sitzen etwa 15 Leute und hören sich die Einweisung der Polizei an. Ein Shout-out an die PAF Police an dieser Stelle. Als Ordner wurden wir instruiert, wie wir mit ungehaltenen Autofahrern oder aggressivem Verhalten umgehen sollen: Als Privatperson natürlich gar nicht – sofort den zuständigen Beamten Bescheid geben.
In diesem Moment wurde mir klar, dass es wirklich Leute geben könnte, die sich über eine Straßensperrung aufregen und die Veranstaltung richtig mies finden. Wegen ein paar Menschen, die ihre Rechte feiern und Spaß haben wollen… Ein gruseliges Gefühl, dass es Leute gibt, die wegen so einer Veranstaltung ausflippen könnten.
13:30 Uhr, Straßensperrung Kreuzung Weihererstr.
Wir riegeln ab. Komische Blicke sind an der Tagesordnung. Radfahrer ignorieren uns und fahren einfach durch. Wir wünschen trotzdem allen viel Spaß bei der Parade. Manche schütteln nur den Kopf.
Gegen 14:20 Uhr wird die Stimmung ungemütlich. Eine Anwohnerin droht uns mit der Polizei. Am Ende unserer Schicht werden die Leute richtig aggressiv, steigen aus ihren Autos aus, und einer reißt sogar das Absperrband durch. Ob sie einfach nur angepisst waren, weil sie nicht durchfahren konnten, oder weil es der CSD war, will ich nicht unterstellen.
Als wir uns zum Hauptplatz aufmachen, holen wir uns eine Erfrischung beim REWE und werden von zwei vorherigen Autofahrern als Clowns beschimpft, weil wir die Sperre doch früher aufgemacht haben. TJA. KOMM KLAR, ANGELIKA.
Aber dann – was für ein Anblick! Ein buntes Meer an Farben und gut gelaunten Gesichtern empfängt uns. Das macht mich stolz.
Warum diese Veranstaltung?
Das Event ist gut besucht, die Stimmung ausgelassen, und die Vielfalt des Publikums beeindruckend. Happy Pride! Jetzt geht die Sause los.
Norbert von Queer Pfaffenhofen eröffnet die Parade mit den Worten: „Es hat hier noch nie so viele bunte Menschen gegeben, die für eines eintreten – nämlich für Akzeptanz und Vielfalt! Und das hat nichts damit zu tun, was wir im Bett treiben, was wir mit irgendjemand treiben, welche Krankheit wir haben oder auch nicht. Vergesst es, wenn ihr nicht wisst, wie ihr mit uns umgehen sollt – fragt uns einfach, wir sind da.“
BAM, das hat gesessen.
Und dann erzählt Norbert, wie großartig die Zusammenarbeit mit der Stadt und der Polizei war und ruft dazu auf, dies jedes Jahr zu machen! Jubel im Publikum. Finden wir auch stark! Ein CSD sollte genauso stattfinden wie das alljährliche Volksfest, oder?
Aber Moment mal…
Die andere Seite der Medaille: Die Leute von Queer Pfaffenhofen wurden beim Plakatieren beschimpft und beleidigt. Man nannte es einen „Gendefekt“, der heilbar sei. Immer noch so toll?
Braucht es diesen CSD nun wirklich?
Und dann gibt es noch die Hölle der Facebook-Kommentarspalten:
Genial dass grün und Regenbogen immer Hand in Hand gehen
früher warst im Zoo wennst Viecher sehen willst, mittlerweile gehst halt da hin
Dieser Herr nennt Menschen „Viecher“ ganz öffentlich lesbar.
Das Kranke Land Deutschland. Satanische LGBT Agenda. Die Sünde man darf nicht als Normalität nenen. Das Land läuft zum Hülle.
Jesus Christus ist König der Königen
Satanische LGBT Agenda. Kann man sich nicht ausdenken oder?
Lasst eure Kinder daheim oder macht mit ihnen einen Ausflug nach weit, weit weg von dem ganzen Mist! CSD ist eine Bewegung, die von dem gleichen Herrn finanziert wird, der auch Black life's Matter und unsere Klimakleber finanziert!
Komischerweise sind das alles Bewegungen die zur Spaltung des Volkes beitragen.
Komischerweise kennen wir den Herrn garnicht, der das alles finanziert, aber über Tipps wären wir total dankbar.
Und dann gibt’s noch den lokalen AFD-Politiker Tobias Teich, der sich als „Queerdenker“ in den Kommentaren rumtreibt. Ziemlich gewitzt, oder?
Queerdenker?
Das sind nur ein paar Auszüge, die öffentlich im Internet nachzulesen sind. Natürlich darf nicht fehlen, dass hierfür auch wieder Steuergelder verschwendet werden!!!1111111!!!!!
Übrigens: Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche sowie nicht-binäre Menschen zahlen auch Steuern – oft sogar nicht mal so wenig ;-P
Braucht es einen CSD in Pfaffenhofen?
AUF JEDEN FALL.
Wenn man bedenkt, wie viele unaufgeklärte Menschen noch in unserem Landkreis frei herumlaufen – wie Viecher, möchte man fast meinen – dann sind wir definitiv der Meinung, dass wir einen CSD brauchen. Kommt doch mal vorbei und sprecht mit den MENSCHEN.
Das Ganze fand übrigens am oberen Hauptplatz statt, direkt am Denkmal für die Opfer des Nationalsozialismus. Macht doch total Sinn, oder?
Denn braucht es sowas in einer Kleinstadt wie Pfaffenhofen?
Falls ihr es noch nicht wusstet: Pfaffenhofen war eine Hochburg der NSDAP-Herrschaft.
Und genau das ist der Grund, warum ein CSD nicht nur in Berlin, München oder Hamburg stattfinden sollte. Die Landbevölkerung hat eine enorme Entscheidungskraft – politisch und vor allem gesellschaftlich. Deswegen ist ein CSD in einer Kleinstadt fast noch wichtiger als in den oft liberaleren Großstädten.
Wir brauchen Vielfalt, wir brauchen Akzeptanz, wir brauchen vor allem Aufklärung und Raum für alle, die unsere Gesellschaft zu einem guten und sicheren Leben machen. Sicherheit entsteht nicht durch Hass – Hass macht blind und dumm.
Natürlich wird das Individuum in unserer Zeit immer wichtiger, und jeder stellt sich immer mehr vorne an. Aber genau deswegen dürfen wir nicht vergessen, mit Veranstaltungen wie dieser zusammenzustehen – nicht jeder für sich. Da geht es nicht nur um Sexualität, es geht um viel mehr. Es geht um Menschenrechte.
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